"Sprint-Planung"

der agile coach

Phase 1: Der Impuls vom POT an das Team.

Zu Beginn eines Sprint-Zyklus stellt das POT dem Team die vorausgeplante Product-Backlog-Liste aus dem zuvor durchgeführten Konklave vor. Das Team stellt Fragen wie: »Was ist mit diesem Backlog-Item gemeint?«, »Wie kommt ihr darauf, dass dieses Backlog-Item die gleiche Größe hat wie die anderen?«, »Soll die Dokumentation auch darin enthalten sein?«, »Habt ihr an den Functional-Safety-Check gedacht?«

Um den Aufwand einzelner Backlog-Items abzuschätzen, hat es sich bewährt, jedes Item beispielsweise mit Konfektionsgrößen (S, M, L, XXL) zu versehen. Gängig ist auch die Bewertung mit Zahlen nach der Fibonacci-Folge (1, 2, 3, 5, 8, 13 …, jede Zahl entspricht der Summe der beiden Vorgängerzahlen) oder mithilfe des Planning Pokers: Die Teammitglieder bewerten anhand von Spielkarten verdeckt und unabhängig voneinander die Komplexität einzelner Backlog-Items.

Mithilfe dieser Einschätzungen können Missverständnisse über die eigentliche Aufgabenstellung oder völlig unterschiedliche Bewertungen zum dafür erforderlichen Aufwand in der Entwicklung aufgedeckt werden.

Schließlich werden neue Backlog-Items geschrieben, die vom POT gegebenenfalls schlichtweg vergessen wurden. Wichtig für den Start ist es, einfach mal anzufangen. Die Verfeinerung der Methode kann in jedem weiteren Sprint ausprobiert werden.

Kein Sprintstart ohne Team-Commitment.

Hier geht es vor allem darum, Schritt 1 der guten Führung – Du erinnerst dich: »Klare Ziele setzen« – konkret besser zu machen. Ein AGILECOACH moderiert diese Diskussion so, dass das POT die Fragen und die Kritik des Teams als konstruktive Hinweise aufnimmt und die blauen Karten des POTs korrigiert. Ansonsten besteht die Gefahr, dass das Commitment des Teams für die Ergebniswunschliste leidet.

So manches POT-Mitglied ist es gewohnt, dem Team vorbereitete und durchdachte Ziele vorzugeben und sich danach zu verabschieden. Eine Korrektur oder Veränderung dieser Vorgaben wird als Kritik und Respektlosigkeit aufgefasst. Natürlich läuft auch etwas schief, wenn von der vorbereiteten Backlog-Liste nach der Team-Diskussion nichts mehr übrigbleibt. Der AGILECOACH moderiert diese Balance.

Am Ende der Sprintplanung steht eine gemeinsame, von POT und Team akzeptierte Liste – das ist das entscheidende Ziel.

der agile coach

Phase 2: Kapazitätsplanung – „und, schafft Ihr das?“

Nach der ersten Phase hat sich die Backlog-Liste des POTs durch den Input des Teams verändert. Beim gemeinsamen Blick auf die korrigierte Backlog-Liste stellt der AGILECOACH die nächste entscheidende Frage an das Team: »Und, schafft ihr das?«

Das mag banal klingen, doch in der Praxis wird die explizite Beschäftigung mit der verfügbaren Umsetzungskapazität häufig verdrängt. In der industriellen Realität findet sich nur selten die Idealvoraussetzung, dass die Teammitglieder dem Projekt zu 100% zugeordnet sind.

Das Teammitglied hat nur ein Projekt: Das ist ideal, ist aber oft unrealistisch.

Auf die Frage des AGILECOACH´s nach der verfügbaren Kapazität prüft jedes Teammitglied seinen Kalender und betrachtet die kommenden zehn Tage. Einzelne werden sagen: »In der zweiten Woche habe ich nur 50% Kapazität für dieses Projekt, außerdem hat die erste Woche einen Feiertag. Durchschnittlich 20% Zeitaufwand benötigte ich pro Tag für die Beantwortung von Fragen aus Produktmanagement, Produktion, von Lieferanten etc. Demnach bleiben von zehn Tagen netto vier Tage übrig.« Bei einem anderen Teammitglied sind es vielleicht sechs, beim nächsten fünf Tage usw.. Wird alles addiert, ergibt sich die Gruppenkapazität.

der agile coach

Phase 3: »Die gelbe Linie«.

Es nähert sich der Höhepunkt jedes Sprintzyklus: Vor dem Hintergrund dieser Gruppenkapazität und im Angesicht der neuen Backlog-Liste übergibt der AGILECOACH dem Team den gelben Faserstift aus dem AGILESET-Koffer. Mit dem gelben Stift tritt ein Teammitglied an das AGILEBOARD und zeichnet eine Linie, die die Backlog-Liste zum Beispiel so unterteilt, dass von den 15 Backlog-Items drei unterhalb der gelben Linie liegen.
Und spricht dabei die magischen Worte:
»Wenn’s gut läuft, schaffen wir diese drei Backlog-Items unterhalb der gelben Linie auch noch!«

Hört ein dominantes POT-Mitglied diese Worte das erste Mal, wird es vielleicht schlucken müssen oder seine Herztropfen rausholen. Das hört sich nach Sabotage und Arbeitsverweigerung an, das Team verweigert die Umsetzung! Andere POT-Mitglieder denken vielleicht: »So habe ich mir das mit diesem AGILE nicht vorgestellt, das war vorher besser! Ich will wieder zurück!«.

Wer nicht den Mut hat, Nein zu sagen, dessen Ja hat keinen Wert!
(Zitat Kurt Schumacher).

Was sind die Vorteile dieser gelben Linie?

1. Das Team wurde sich darüber bewusst, was in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich ist. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, eine Enttäuschung zu vermeiden.

2. Das Team kann sich auf einen Umfang konzentrieren, den es für möglich hält und sich von einer lähmenden Überlast befreien (»Wir brauchen erst gar nicht anzufangen, das können wir sowieso nicht schaffen!«).

3. Das Team hat sichtbar und körperlich (der gelbe Faserstift) das Ruder übernommen. Dieser symbolische Akt manifestiert und realisiert das Ziel von Agile:
Selbstbestimmung im Team.

4. Das Team hat die Backlog-Items oberhalb der gelben Linie zugesagt.

5. Das Team schränkte ein mit »Wenn’s gut läuft«. Es könnte also auch sein, dass das Team »overperformed«. Und wie könnte eine Over-Performance sichtbar werden ohne diese gelbe Linie?

6. Das POT kann sich konzentrieren. »Oberhalb der Linie hat das Team committed – unterhalb der Linie, das ist unser Job!«

7. Das POT kann sich hinsichtlich der Backlog- Items unterhalb der gelben Linie entscheiden:

  • Können wir die Kapazität erhöhen?
  • Können wir sie in den nächsten Sprint verschieben?
  • Können wir Punkte von oberhalb der Linie mit Punkten unterhalb der Linie tauschen?
  • Oder – und das ist eine der entscheidenden Erkenntnisse: Können wir sie ganz weglassen?

Denn alle zwei Wochen werden Ziele, die nach einer vorherigen Priorisierung am unteren Ende des Rankings gelandet sind, gelöscht. Das ist vollkommen neu. Es fühlt sich am Anfang komisch an. Weglassen? Ja, weglassen! Vor dem Hintergrund, dass alles andere wichtiger ist und das Team hierfür nicht das Commitment übernehmen kann, weil ihm die Kapazität fehlt, ist weniger mehr.

Weniger ist mehr.

Dabei meinen wir nicht die Hauptfunktionalitäten des Produktes. Denn man unterscheidet zwischen Product Backlog und Sprint Backlog. Das Product Backlog entspricht dem Lastenheft. In ihm sind die entscheidenden, wettbewerbsrelevanten Hauptfunktionalitäten des Produktes als Requirements definiert. Sie sind nicht alle zwei Wochen Gegenstand der Diskussion!

Die Frage ist vielmehr, ob die Umsetzung der Requirements mit höherer oder niedrigerer Komplexität erreicht werden kann. Noch wichtiger sind die Fragen:
Wird das der Kunde honorieren – sieht er das überhaupt?
Wie kann man mit der vorhandenen Kapazität ein Maximum an Ergebnis erzielen?

der agile coach

Phase 4: Das Thumbs-up-Ritual.

Wenn diese Übung beendet ist, wird der Höhepunkt der gemeinsamen Sprintplanung mit einem symbolischen Ritual abgeschlossen. Alle Teammitglieder und die Mitglieder des POT besiegeln die Einigung auf den Arbeitsinhalt des kommenden Zwei-Wochen-Sprints, indem sich alle, einen Daumen nach oben zeigend, einen Moment lang in die Augen schauen und gegenseitig nonverbal abfragen, ob wirklich jeder dabei ist: Hier und Jetzt ist die letzte Möglichkeit, Einwände, Bedenken oder Zweifel zu äußern.

Geht bei allen der Daumen hoch, kann jedes Teammitglied davon ausgehen, dass jedes andere Teammitglied sich genauso engagiert für das Sprintziel einsetzen wird, wie man selbst.

Darüber hinaus sucht der fragende Blick des Teams in den Augen des POTs die Gewissheit, dass es nicht am Mittwoch mit Änderungen oder vollkommen neuen Zielen konfrontiert wird.

Nach diesem Thumbs-up-Ritual beginnt Schritt 2. der guten Führung: Freiheit lassen!

Denn das ist das Geniale an AGILE: Der schwierigste Schritt der guten Führung, die Freiheit, ist fester Bestandteil des Sprints. Dieser Aspekt kann nicht mehr unbewusst vergessen werden. Der Sprint ist die Freiheit im Team. Und der beginnt jetzt. Ab sofort ist das Team ganz auf sich gestellt. Das POT verlässt den Raum, die Tür fällt ins Schloss und das Team atmet tief durch. Kannst Du das Gefühl der Teammitglieder nachempfinden?

Eine Mischung aus »Juchhu, endlich allein« und höchster Konzentration. Das Team hat ja ein Versprechen abgegeben. In zwei Wochen will es die Backlog-Liste abgearbeitet haben. Und vielleicht sogar noch mehr.

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Phase 5: Das TEAMAGILEBOARD.

Das Geschenk der Freiheit ist verbunden mit der Verpflichtung, sich selbst zu organisieren. Dazu gehört, dass sich das Team ebenso wie das POT ein AGILE-Board aufstellt. An diesem TEAMAGILEBOARD werden die Backlog-Items mit den Ergebniswünschen des POTs (blaue Karten) im Verhältnis 1:n in Aktivitäten heruntergebrochen, die erforderlich sind, um das Sprint-Ziel zu erreichen.

Das Team benutzt hierzu die gelben Karten. All das passiert ohne das POT, denn das TEAMAGILEBOARD stellt die Intimsphäre des Teams dar, in der kein POT-Mitglied etwas zu suchen hat. Der Einzige, der hier dabei sein darf, ist der AGILECOACH.

Ziel dieses TEAMAGILEBOARDs ist die maximale Ausprägung von Eigenverantwortung innerhalb des Teams. Dazu gehört, dass das Team lernt, sich selbst zu organisieren. Erst dann kann und wird es für das, was es sich vornimmt, auch die volle Verantwortung übernehmen.