Die ideale Sprintlänge.
Den Kern der agilen Methode bildet der sogenannte Sprint. Er umfasst eine Zeitstrecke, in der ein Team von A nach B kommen soll. Was meinst Du? Was ist die ideale Zeitspanne für einen Sprint? Eine Woche, zwei Wochen, drei Wochen, eher mehr – oder weniger? Oder bis Du der Ansicht, »es kommt drauf an«?
Worauf kommt es an? Auf die Komplexität des Arbeitsinhaltes? Genau das ist der Unterschied! An dieser Stelle dreht AGILE unsere gewohnte Denkweise quasi um 180 °. Die agile Produktentwicklung hält die Sprintdauer konstant auf zwei Wochen. Die Komplexität lässt sich mit einem Schwimmbecken vergleichen, das mit konstanter Länge (zwei Wochen) mit entsprechender Tiefe (der Team- kapazität) gefüllt wird. Alle zwei Wochen wird der Schwimmbeckeninhalt mit der aktuell anstehenden Komplexität gefüllt.
Die Kraft des Rhythmus.
Nun stell dir bitte vor, ein Team nimmt sich vor Beginn eines Sprints ein solches »Schwimmbeckenvolumen« vor, es arbeitet über zwei Wochen den Inhalt des Volumens ab. Danach überprüft das Team, was es geschafft hat. Insbesondere nach dem ersten Sprint stellt das Team fest, dass es nicht alles, was es geplant hat, geschafft hat.
Dieser Erkenntnisgewinn fließt in die Planung des nächsten Sprints. Die aktualisierte Planung wird erneut innerhalb von zwei Wochen umgesetzt und das Team trifft sich pünktlich zu einem erneuten Feedback. Auch diesmal wurde nicht alles erreicht. Erneut werden die Erkenntnisse verarbeitet und münden in eine erneute, verbesserte Planung usw… . Das Team gelangt so in einen stetigen Zwei-Wochen-Rhythmus.
Mehr Verantwortung!
Nun die entscheidende Frage an dich: Was macht das mit den Menschen, die in diesen neuen Arbeitsrhythmus kommen?
»Ihre Fähigkeit zu planen, wird besser!«, »Sie bekommen in kurzen Zyklen immer besseres Feedback!«, »Sie werden immer verlässlicher!«, »Sie werden sich immer bewusster, was sie schaffen können!«, »Sie werden mehr Verantwortung für ihre eigene Planung übernehmen!«, »Die Motivation, sich zu steigern, wird zunehmen«, »Die Zyklen sind kurz – die Gefahr zu scheitern ist kleiner, maximal eine Sprintdauer!«, »Ihr Mut, etwas zu wagen steigt dadurch!«, »Das Team wird sich zum Team zusammenschweißen!«, »Sie werden mehr Spaß haben!«.
Diese Auswahl von vielen Antworten erhalte ich immer wieder von Menschen, die sich in Teams hineinversetzten, die im agilen Rhythmus arbeiten. Genau das – und nichts anderes – ist das Ziel von AGILE!
AGILE bringt Menschen in einen Erfolgsrhythmus. Sie werden als Team zusammengeschweißt. Mit AGILE werden Menschen in mehr Eigenverantwortung gebracht. Es geht darum, Menschen größer zu machen!
Wie lange dauern Sprints?
Gibt es eine Korrelation zwischen der Schätzdauer und der Abweichung der Aufwandsschätzung in Stunden bei Entwicklungsarbeiten? In einer empirischen Studie mit über 500 Projekten aus der Vor-, Serien- und Produktpflegeentwicklung wurden Entwickler gefragt, wieviel Stunden sie für ein Arbeitspaket brauchen. Dieser Schätzwert wurde mit dem real erreichten Aufwand verglichen. Es ergab sich eine erstaunliche Korrelation: Bei Arbeitspaketen bis zu einer Zeitdauer von 14 Tagen nahm der Grad der Übereinstimmung zwischen Schätzung und tatsächlichem Aufwand mit jeden zusätzlichem Tag linear ab. Nach 14 Tagen war diese Abweichung nicht mehr linear, sondern exponentiell! Die Begründung war, dass die Vorstellungsfähigkeit des menschlichen Gehirns bei 14 Tagen relativ gesehen am besten ist.
Du kennst den Effekt von Wettervorhersagen: Beobachte die Prognosen die über 14 Tagen Horizont. Wenn Du einen konkreten Temperaturwert verlangst, wirst Du auch diesen bekommen. Aber das ist dann ein Mittelwert aus „Himmel und Hölle“.
Was heißt das für deine Projekte? Bei längeren Zeiträumen nimmt die Bereitschaft und vor allem die Fähigkeit des Einzelnen deutlich ab, Verantwortung für geäußerte Vorhersagen zu übernehmen und sich persönlich dafür einzusetzen. Einschätzungen über eine Zeitspanne von zwei Wochen haben einen höheren Wert.
Das Geniale: Unser Unterbewusstsein.
Ich glaube, dass dabei vieles unbewusst geschieht. Unser Bewusstsein soll etwa 15 Bit/sec, d. h. ca. 15 Informationen wie riechen, schmecken, hören etc. gleichzeitig verarbeiten können. Unser Unterbewusstsein soll 1 Million mal mehr Informationen verarbeiten können als unser Bewusstsein. Ein extremes Beispiel dafür ist der Autist Stephen Wiltshire (»the living Camera«), der mit dem Hubschrauber zum ersten Mal über Rom und andere Städte flog und danach in nur drei Stunden jedes Detail an einer Leinwand aufmalen konnte.
Die Fähigkeit des Gehirns, unserem Unterbewusstsein Informationen zu vermitteln, ist höher, wenn es sich dabei um Bilder handelt. Zielbilder, die uns darüber hinaus gefallen, zu denen wir also eine positive Beziehung aufbauen können, rutschen geradezu mit Fallgeschwindigkeit in unser Unterbewusstsein. Sämtliche Weggabelungen und Entscheidungen werden danach unterbewusst in eine Richtung gelenkt, um ein attraktives Zielbild zu erreichen und Realität werden zu lassen. Wir können uns gegen die Zielerreichung gar nicht mehr wehren.
Eine Schätzdauer von zwei Wochen ist offensichtlich »gehirngerechter«. Das ist ein relevanter Unterschied zum konventionellen Projektmanagement. Anstatt den Zeithorizont der Aufgabenkomplexität anzupassen, wird ein fester, zweiwöchiger Rhythmus installiert und der Fertigstellungsgrad dieser fixen Dauer angepasst. Bei AGILE nennt sich das »Timeboxing«.
Platz schaffen für mehr.
Genau aus diesem Grund dreht AGILE die Frage um. Sie lautet nicht: »Wieviel Zeit brauchst du?«, sondern: »Was möchtest du in 14 Tagen fertiggestellt haben?«.
Bei der Umstellung der Denkweise, also weg von dem gewohnten »Bermuda-Dreieck« aus Q, K, T (Qualität, Kosten, Termine), in dem versucht wird, alle drei Dimensionen zu fixieren, wird eine Dimension gekürzt: Q=Inhalt wird variablisiert. Dies führt zu einem enormen Effekt: Die freigewordene Energie wird in mehr Commitment umgewandelt!
Diese Umstellung ist fundamental. Das geht nicht unmittelbar. Wir Menschen brauchen dazu Rituale und stetige Wiederholung damit sich im Hirn die Synapsen bilden um es zu einer dauerhaften Verhaltensänderung zu machen. Teams brauchen in der Regel 3 Monate Wiederholung um in den neuen Arbeits-Rhythmus zu kommen um ihn intuitiv leben zu können.